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Die Alte Ölmühle in Tiengen

 

 


Von Kurt Benda      1. Vorsitzender Öhlmühleverein 

Eine Lebensader des früheren handwerklichen Lebens im alten Städtle Tiengen war der Tal- oder Stadtbach. Er trieb die Schlossmühle an (seit über 100 Jahren ist sie im Besitz der Familie Hilpert). Die Ölmühle wird erstmals 1718 erwähnt. Ab hier hieß der Bach im Volksmund Mühle- oder Ölebach. Den benötigten aber auch andere Handwerkszweige für ihre Arbeit: z.B. die zahlreichen Küfer und Gerber.

Ursprünglich war die Ölmühle außerhalb der alten Stadtmauer; sie arbeitete mit leicht brennbarem Material und war daher für die alten Holzhäuser des Mittelalters viel zu gefährlich. Gegenüber der Ölmühle stand über Jahrhunderte als treuer Wächter der sogenannte „Dicke Turm“ Das war einer der Rundtürme der alten Stadtbefestigungsanlagen. Durch die Fahrgasse trieben die Bauern des Städtle das Vieh auf die Weide. Man nannte das „ausfahren“ bzw. am Abend „heimfahren“ –daher stammt der Name „Fahrgasse“.

Über die Zeit der Erbauung der Ölmühle ist nichts überliefert. Das Jahr 1718 ist der erste Anhaltspunkt. Mit Sicherheit ist sie jedoch viel älter. Zu jener Zeit stand die Ölmühle in der Fahrgasse weitgehend allein. Später kamen eine Gerberei, Hafnerei und eine Lohstampfe hinzu.

Das Werk der Ölmühle ist denkbar einfach, aber sehr praktisch. Durch das oberschlächtige Wasserrad wird die Wasserkraft für jeden einzelnen Arbeitsvorgang optimal genutzt. Verarbeitet wurden alle Früchte, aus denen Öl gewonnen werden kann (z.B. Buchäckern, Leinsaat, Walnüsse, Raps, Sonnenblumenkerne, Mohn usw.).

Die ausgekernten Nüsse müssen zuerst zerstampft werden, ehe sie ebenfalls in der Rührpfanne und Presse weiter verarbeitet wurden. Im Standbett der Öle befinden sich drei Löcher, sie werden mit Nüssen gefüllt. Durch eine Zapfwelle werden die Holzstampfer durch die Wasserkraft angehoben und wuchtig wieder fallen gelassen. (Gleichstand). Bei Quetsche und Stampfe besteht eine Verbindung zum Wasserrad und es äußerst interessant , das vielfältige Ineinandergreifen des hölzernen Räderwerks zu beobachten. 

Die Ölfrucht wurde zunächst zwischen zwei Walzen zerquetscht und dann in einer schwenkbaren Rührpfanne zum Erhitzen gebracht. Ungefähr 22 Pfund ergaben einen „Druck“, der durch eine Rührvorrichtung  ständig umgerührt und in Bewegung gehalten wurde, um ein Anbrennen der Masse zu verhindern. Wenn die Ölfrucht genügend erhitzt war, wurde sie in ein Tuch geschlagen und kam in die Presse. Der Ölmüller bediente den Pressbalken zuerst mit der Hand und nahm dann die Wasserkraft zu Hilfe, um das Öl so herauszupressen, dass vom „Druck“ nur der trockenen Ölkuchen übrig blieb. Vielen Tiengener Kindern der Nachkriegszeit ist das „Ölebrot“ aus der Ölmühle noch in guter Erinnerung.

Der obere Teil des Pressstuhles hat ein Ausmaß von 70 x 60 cm während die Seitenteile 40 x 60 cm messen. Das Trottbett ist 110 cm lang und 70 x 50 cm stark. Die eingekerbten Buchstaben "H a t" mit der Jahreszahl 1858 erinnern an den damaligen Ölmüller Hans Thoma. Er betrieb zur Ölmühle noch eine Gipsmühle.

Das Einzugsgebiet der Ölmühle war außerordentlich groß. Es reichte von St. Blasien bis zu Rhein und von Säckingen bis Jestetten. Die Schweizer Kunden brachten ihre Ölfrüchte mit der Fähre nach Kadelburg, der Ölmüller aus Tiengen nahm sie am Zoll entgegen. Anschließend fuhr er mit seinem mit zwei Kühen bespannten Wagen nach Tiengen. War der „Druck“ fertig, brachte er seiner Kundschaft mit seinen beiden Kühen das begehrte Öl nach Kadelburg.  Außer der Ölmühle trieb der Ölmüller noch eine Landwirtschaft um und eine Brennholzsäge.

Eine letzte Blütezeit erlebt die Alte Ölmühle im vergangenen Krieg, als die Bauern aus der ganzen Nachbarschaft und aus den Kreisen  Säckingen und Neustadt kamen. Oft musste die Ölmüllerin vom frühen Morgen bis spät in die Nacht auf den Beinen sein. Den trockenen Rest nach dem „Druck“ nahmen die Bauern als Viehfutter mit. Aber Frau Mutter hatte immer so viel übrig, dass sie in der schweren Kriegs- und  Nachkriegszeit den Kindern ein Stück nahrhaften Ölkuchen, das „Ölebrot“,  zustecken konnte.

Familiengeschichte der Ölmühle

Die Ölmühle in Tiengen wurde wahrscheinlich schon  im Mittelalter erbaut. Die ersten schriftlichen Zeugnisse stammen aus dem Jahr 1718. Auf dem Querbalken der Ölpresse steht H.T. 1858 zur Erinnerung an den Ölmüller Hans Thoma. Über die Familie Gerstner (sie hatte eine Waise an Kindesstatt angenommen) gelangte die Ölmühle in den Besitz der Familie Mutter. 

Peter Mutter (1855-1934) genannt Öle Peter hatte, aus dem Hotzenwald stammend, in die Mühle eingeheiratet. Sein Sohn Leo Mutter (1885-1932 )war Ölmüller  bis 1931. Seine Frau Luise Mutter ( 1897-1956) betrieb die Ölmühle mit ihrer Tochter Anna und ihrem Sohn August weiter bis in die Nachkriegszeit. 

Anna Muttter ist in Tiengen bekannt als Öl-Mutter-Annele. Die Währungsreform 1948 und die folgenden Veränderungen veranlassten sie zur Aufgabe des Ölpressens.

Ihre Tochter Frau Hess, geb. Jehle, stellte als gegenwärtige Besitzerin  dem Verein zur Erhaltung der alten Ölmühle die Nutzungsrechte der Ölmühle auf Dauer zur Verfügung. Auf dieser Basis erfolgte die Renovation des Kellergeschoss und die  Funktionsrestaurierung der Mühle seit 1995.  Gelegentlich führt sie auch Besucher durch die Mühle und gibt Passanten gerne Auskunft, wenn sie angesprochen wird.